Schon gehört? Menschen haben eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne, als Goldfische

Nahm man sich vor 200 Jahren noch die Zeit, nach der Postkutsche Ausschau zu halten, witschen uns heute Mails im Sekundentakt in die Hosentasche. Schöne, neue Welt. Die neuen Technologien und die ständige Reizüberflutung sorgen für eine messbare Veränderung in unseren Gehirnen.

 

AufmerksamkeitsspanneDie Aufmerksamkeitsdauer eines Menschen lag im Jahr 2000 im Durchschnitt bei 12 Sekunden. Im Jahr 2015 lag sie nur noch bei 8 Sekunden. Da Goldfische bislang auf Smartphones verzichten, ist ihre Aufmerksamkeitsspanne bei 9 Sekunden geblieben.

Die Studie von Microsoft, die diese Daten liefert, wurde konsequenterweise in zwei Versionen präsentiert. Die volle Version mit allen Daten und die abgespeckte Version mit vielen bunten Bildern und wenig Text. Die Goldfischversion. Ich hatte sie gebookmarkt und wollte sie hier verlinken. Doch die Links führen inzwischen ins Leere. Eine Suche im Forschungsbereich von Microsoft blieb erfolglos. Vielleicht ist den Autoren die Ironie darin selber aufgestoßen – vielleicht reicht aber auch meine Aufmerksamkeitsspanne nicht aus, um die Studien wiederzufinden. Aber schöne neue Schuhe habe ich gefunden…

 

Ressource Aufmerksamkeit

Im Wandel der Zeit ist Aufmerksamkeit eine der am härtesten umkämpften Ressourcen geworden. Jede Headline und jedes Werbeplakat zielen darauf ab, für einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit des Vorbeieilenden zu erhaschen und in Sekundenbruchteilen eine Botschaft zu platzieren.

Was macht das auf Dauer mit uns? Auf jeden Fall wird das Sprichwort „dem Gras beim Wachsen zusehen“ vermutlich bald niemand mehr kennen. In einer Zeit, in der man nicht bereit ist, mehr als eine Sekunde auf das Laden einer Internetseite zu warten, tickt auch die innere Uhr zunehmend schneller.

 

Was bedeutet das für Sie und Ihre Marketingstrategie?

Wie bereits in Online Marketing ist Speed Dating beschrieben, gehen auf einer Webseite die ersten 2,66 Sekunden an das Scannen der Seite verloren. Wenn der erste Eindruck der Webseite den Leser gehalten hat, bleiben also noch 5,34 Sekunden. Gehen wir von einer Lesegeschwindigkeit von drei Wörtern pro Sekunde aus, bleiben Ihnen im besten Fall 16 Wörter. Dann sind die 8 Sekunden um.

Ergo: Sie haben 16 Wörter, um Ihren Leser abzuholen. „Abholen“ ist das entscheidende Stichwort. Machen Sie nicht den Fehler, alle Informationen, in diese 16 Wörter packen zu wollen. Menschen sind vom modernen Leben reizüberflutet. Komprimieren Sie zu viel Information auf zu kleinem Raum, weichen Leser instinktiv aus. Ihre Aufgabe ist es, Ihre Botschaft exakt auf dem sehr schmalen Grat zwischen „zu viel“ und „uninteressant“ zu platzieren.

 

Die Zauberformel: Schreiben Sie eine Geschichte, deren Ende man nach den ersten 16 Wörtern unbedingt wissen möchte!

Die ersten Wörter müssen den Leser unweigerlich und erbarmungslos in den Text ziehen. Eine gute Geschichte beginnt mit einem Cliffhanger. Wenn Sie jemals ein Buch im Laden angelesen haben und es nach dem ersten Satz nicht mehr aus der Hand legen wollten, wissen Sie, wovon ich spreche. Der erste Satz gibt niemals die Antwort – er unterstützt die Frage. Er macht neugierig.

Wie und womit Sie Neugier wecken können, hängt vom Thema und von der Zielgruppe ab. Trotzdem ist der Mechanismus immer der gleiche: Sie müssen Emotionen wecken. Menschen sind emotionsgesteuert. Erwischt man die richtigen Knöpfe, sind die 8 Sekunden vergessen. Wir sind durchaus noch in der Lage uns zu konzentrieren und zu fokussieren. Auch länger, als 8 Sekunden. Jedoch muss es sich aus unserer Sicht lohnen.

Vor über 20 Jahren schrieb Ani DiFranco in ihrem Song Plastic Castle:

they say goldfish have no memory
i guess their lives are much like mine
and the little plastic castle
is a surprise every time
and it’s hard to say if they’re happy
but they don’t seem much to mind

Wenn Sie Ihren Leser mit den ersten 16 Wörtern nicht gepackt haben, dann ist das kleine Plastikschloss unter Umständen interessanter. Auch, wenn er schon tausend Mal daran vorbeigeschwommen ist.

 

Wie auch immer… ich schlage vor, Smartphones an Fische zu verteilen. Auf die Art könnte es der Menschheit vielleicht gelingen, wieder eine höhere Aufmerksamkeitsspanne zu erreichen, als Gold… oh! – ein Plastikschloss!